Pressemitteilung Gen-ethisches Netzwerk e.V.
Verwandtensuche durchgewunken – Einspruch gegen die beschlossenen Datenschutzverletzungen in der DNA-Analyse!
(Berlin 27.06.2017) Viel Protest hat die schnelle und in der Öffentlichkeit kaum diskutierte Verabschiedung des Gesetzes „über effektivere und praxistauglichere Strafverfahren“ letzte Woche erzeugt. Doch neben der skandalösen Erlaubnis von Spionagesoftware und Online-Durchsuchungen, findet eine weitere folgenschwere Veränderung der Gesetzeslage leider wenig Beachtung: Das Gesetz macht es jetzt möglich, bei DNA-Reihenuntersuchungen auch nach Verwandten zu suchen, die selbst nicht an dem Test teilgenommen haben. Bis jetzt wurden bei Massengentests die DNA-Proben, die freiwillig (oder unter sozialem Druck) abgegeben wurden, mit dem gesuchten DNA-Profil vom Tatort verglichen. Ab jetzt ist es erlaubt, die Verwandten einer teilnehmenden Person unter Verdacht zu stellen und gegen sie zu ermitteln, wenn es eine Teilübereinstimmung zwischen DNA-Probe der Person und dem gesuchten DNA-Profil gibt.
Dies finden wir hochproblematisch, denn:
- Damit wird die Erfassung von DNA indirekt vervielfältigt – ganz ohne Zustimmung der betroffenen Personen. Denn jenseits der freiwillig zustimmenden und informierten Person werden vielfältige Leute mit der Suche nach Teiltreffern indirekt erfassbar und in Ermittlungsverfahren involviert – sowohl tatsächliche Verwandte des/der Spurenleger_in als auch Verwandte von zufällig übereinstimmenden Personen.
- Teilnehmende an einer DNA-Reihenuntersuchung können die Tragweite einer Einwilligung zur Speichelprobe und der Verwertung des Ergebnisses gegen nahe Verwandte unmöglich abschätzen, so auch die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins. Ob sie sich zum Beweismittel gegen Verwandte machen wollen, können sie in einem Moment noch nicht abwägen, wo es noch um verdachtsbegründende Ermittlungen geht. Verwandte dritten Grades sind beispielsweise Onkel, Tanten, Nichten und Neffen – es ist also ein potenziell sehr großer Personenkreis betroffen.
- Bei der Suche nach Teiltreffern wird es rein rechnerisch zu einer hohen Fehlerquote kommen. Zufällige Übereinstimmungen zwischen der DNA-Spur und Teilnehmenden bei der DNA-Reihenuntersuchung sind vorprogrammiert, zumal das Gesetz keine Untergrenze festlegt, wie hoch die Übereinstimmung sein muss. Dieses Vorgehen wird also nicht nur Ermittlungen in die Irre leiten, sondern setzt auch Verwandten von zufällig teil-übereinstimmenden Personen ebenso wie tatsächliche Verwandte Ermittlungsverfahren aus.
Im April 2017 hat das Gen-ethische-Netzwerk (GeN) zusammen mit 24 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gegen die Gesetzesänderung protestiert. Auch Wissenschaftler_innen der Universität Freiburg hatten Anfang Juni in einer Stellungnahme starke Bedenken gegenüber Ermittlungen auf der Grundlage von „Beinahe“-Treffern geäußert. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) hatte sich schon im August letzten Jahres gegen die Verwandtensuche ausgesprochen.
Das GeN protestiert weiterhin gegen die folgenschwere Verschlechterung des Datenschutzes, die der Bundestag nun ohne eine öffentliche Diskussion im Schnellverfahren verabschiedet hat!
Link zur Pressemitteilung:
http://gen-ethisches-netzwerk.de/3578
und gerne auf Twitter teilen:
https://twitter.com/GeNetzwerk/status/879655351825596416
s. auch vorherige Pressemitteilung:
Pressemitteilung Gen-ethisches Netzwerk e.V.: 25 Organisationen fordern: Keine Erweiterung polizeilicher Befugnisse in der DNA-Analyse!
Gen-ethisches Netzwerk e.V.
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Tel.: 030 – 685 7073
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