Der Migrationsrat Berlin – Brandenburg und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt rufen alle Migrant_innen- und anderen Menschenrechtsorganisationen, anti-rassistische Initiativen und Einzelpersonen dazu auf, ihre Forderungen an den Berliner Innensenat und seine Polizei mit ihrer Unterschrift gegen Racial Profiling und rassistische Polizeispots in den Berliner U-Bahnen zu unterstützen.
Unterzeichnung des Aufrufs per E-Mail an info@mrbb.de
Betreff: Aufruf gegen Racial Profiling
Angaben: Name der Organisation oder Einzelperson
Am 4.12. titelt die taz:
„Rassismus. Vorsicht Migranten. Vor Weihnachten warnt die Berliner Polizei vor Taschendieben. Deren Vorgehen veranschaulicht sie im U-Bahn-TV – mit einem einseitigen Täterbild.“
Simone Kleeberger berichtet von einem Warnspot der Polizei, in dem ausschließlich Dieb_innen, mit sichtbarer Migrationsgeschichte in einem weißen Einwanderungsland, gezeigt werden.
Seit 2010 liegen allen Berliner Senatsverwaltungen Empfehlungen zum Abbau rassistischer und ethnischer Diskriminierung in der Berliner Verwaltung vor, die von über 100 Migrant_innenselbstorganisationen, Organisationen of Color und anderen Menschenrechts- und Beratungsstellen erarbeitetet wurden. In diesen Empfehlungen wird für den Bereich Inneres auch die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei problematisiert. In einer Stellungnahme der Senatsverwaltung vom 20.08.2010 heißt es u.a. hierzu:
„4.3. Bereich Inneres
4.3.1. Polizei
1) Problemfeld: Rassistische Pressemeldungen
Der Migrationsrat empfiehlt ein Verbot von Pressemeldungen und Aussagen gegenüber den Medien, die eine Verbindung zwischen ethnischer Herkunft, Staatsangehörigkeit, Hautfarbe oder Religion einerseits und Terrorismus oder kriminellem Verhalten andererseits herstellen. Des Weiteren hält der Migrationsrat die Beschreibungen wie „südländisch“ in Fahndungsfällen für wenig dienlich und fordert nur konkrete Personenbeschreibungen zu verwenden. Zur Vermeidung von Diskriminierungen gibt es bei der Polizei eine Weisung, in Pressemitteilungen auf Minderheitenkennzeichnung von Personen zu verzichten, soweit diese Angaben nicht aus ermittlungstaktischen oder anderen besonderen Gründen im Einzelfall (z.B. zur Verständlichkeit des Sachverhalts) erforderlich sind.“
Damit erkennt die Senatsverwaltung für Inneres keinen Handlungsbedarf und erklärt stattdessen ihre Vorkehrungen zur Vermeidung von Diskriminierung durch Pressemeldung als ausreichend. So folgt auch Polizeisprecher Redlich in seiner in der taz veröffentlichten Stellungnahme dienstbeflissen der erwähnten Weisung und den aufgeführten gesetzlichen Regelungen:
«Bei der Polizei heißt es, die Auswahl der im Warnspot gezeigten Originalaufnahmen sei allein nach einem Kriterium erfolgt: „Die Handlungsweise von Taschendieben ist in den Sequenzen besonders gut zu sehen“» (taz, 04.20.2013: Rassismus – Vorsicht Migranten; Die Polizei in Berlin verfügt über das Bildmaterial von über 12.000 öffentlichen Kameras, die 24 h am Stück filmen!)
„Die Weisung Diskriminierung zu vermeiden gilt scheinbar nur für Pressemitteilungen und nicht für rassistische Warnspots der Polizei. Auch gilt der Minderheitenschutz in Deutschland nicht für die asiatische und afrikanische Diaspora und andere People of Color, die die Polizei ohne jeglichen Verzicht auf rassistische Stigmatisierung als „rumänische Klaukinder“ bezeichnet“, so Angelina Weinbender vom Migrationsrat Berlin-Brandenburg. Der Minderheitenschutz in Deutschland gilt nur für Sorb_innen, Dän_innen, Fries_innen und (deutsche) Roma und Sinti (vgl. Projektgruppe AK II, 10.10.2007: Schutz nationaler Minderheit vor Verwendung diskriminierender Minderheitenkennzeichnungen durch die Polizei). Damit unterliegt die Polizei auch keiner expliziten Weisung in Pressemitteilungen auf Diskriminierung anderer migrierter Minderheiten zu verzichten.
„Der Chef der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt hat in seinem Interview mit der taz vom 27.10.2013 Recht, wenn er beim Thema Racial Profiling auf die Gesetzgeber_innen verweist, die sich trotz ihrer Verantwortung gegenüber den rassistischen Morden des Netzwerks der NSU nicht dazu durchringen können, rassistischen Personenprofilermittlungen entschieden entgegenzutreten“, so die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, „Herr Wendt unterschlägt dabei jedoch die Einflussmöglichkeiten von weisungsbefugten Direktionen in einer hierarchischen Institution wie der Polizei, ebenso wie die Geisteskraft
solcher Warnspot-Hersteller_innen in deren Pressestellen.“
Anstatt das «Büro für Integration und Migration» des Berliner Polizeipräsidenten mit der Erarbeitung von Richtlinien und Weisungen zum Schutz vor Diskriminierung durch die Polizei zu beauftragen, wurde das Büro unter der kommissarischen Leitung der jetzigen Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers dem LKA zugeordnet, der Abteilung für „besonders schwere Kriminalität“ (http://www.berlin.de/polizei/wir-ueber-uns/index.html). Innensenator Henkel begrüßte diese Änderung und sägte damit das noch ein Jahr zuvor als „Meilenstein auf dem Weg zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung“ gefeierte Projekt kurzer Hand ab.
Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres hat ihren Ton gegenüber Migrant_innen und People of Color verschärft und ihre Einsatzkräfte verstärkt. Daher überrascht es nicht, dass die Verdächtigungszahlen gegenüber Migrant_innen und People of Color für 2012 laut Polizeilicher Kriminalstatistik den Höchststand für Racial Profiling seit über einem Jahrzehnt ausweisen (vgl. Stellungnahme des MRBB zur PKS 2012: „Mehr Racial Profiling, weniger Aufklärung“). Dem wollen wir in einem breiten Bündnis gegen Racial Profiling in Berlin entgegentreten.
Wir erwarten von der Berliner Polizei, im ersten und bislang einzigem Bundesland mit einem Partizipations- und Integrationsgesetz sowie Landesaktionsplan gegen Rassismus und ethnische Diskriminierung, einen Spot in und mit den Berliner Fenstern, in denen sie sich für die rassistische Kriminalisierung von Migrant_innen und People of Color in ihrem Weihnachts-Warnspot entschuldigen.
Wir erwarten eine deutliche und öffentliche Positionierung des Berliner Innensenats gegen Racial Profiling.
Wir fordern eine Dokumentationspflicht von Identitätskontrollen durch die Polizei, die das Kontrollverhalten gegenüber Migrant_innen und People of Color im Vergleich zu weißen Deutschen abbilden kann. Die Ergebnisse sollen in die Veröffentlichungen der Polizeilichen Kriminalstatistiken einfließen.