09.04.2015
Am gestrigen Mittwoch, dem 8. April 2015, verhandelte das Verwaltungsgericht München einen weiteren Fall von ‚racial profiling‘. Ein dunkelhäutiger Deutscher war in einem innerdeutschen Zug innerhalb des 30-km Grenzbereiches wegen einer möglichen illegalen Einreise kontrolliert worden. Er fühlte sich aufgrund einer ethnischen Zuschreibung diskriminiert und klagte. Der erste Verhandlungstag endete mit dem Antrag des Klägers, den Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Prüfung vorzulegen.
Anfang Januar 2014 fuhr der Wissenschaftler Dr. Andreas S.*, der aus einer deutsch-indischen Familie stammt, mit dem Zug von Kempten nach München. In der Nähe von Kaufbeuren stiegen Bundespolizeibeamte zu und führten bei Herrn Dr. S. eine verdachtsunabhängige Personenkontrolle durch. Im Waggon kontrollierten die Beamten keine weiteren Personen. Der Betroffene, der bereits wiederholt ähnliche Erfahrungen gemacht hat, vermutete, wegen seiner Hautfarbe kontrolliert worden zu sein. Hierdurch fühlte er sich diskriminiert und legte Klage beim Verwaltungsgericht München ein. Er wird vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) bei seiner Klage unterstützt. Bereits in 2012 hatte das BUG einen ähnlich gelagerten Fall vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz begleitet.
Am ersten Verhandlungstag in München wurde nun einer der beiden an der Kontrolle beteiligten Bundespolizisten eingehend zum Ablauf befragt. Neben einer möglicherweise an seiner Hautfarbe orientierten Auswahl des Klägers, geht es auch um die Europarechtsmäßigkeit der angewendeten Norm des Bundespolizeigesetzes. Eine französische Parallelvorschrift zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 Bundespolizeigesetz war 2010 vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) für rechtswidrig erklärt worden. Die Europäische Kommission hält auch die deutsche Vorschrift für rechtswidrig und leitete im Oktober 2014 ein entsprechendes Verfahren gegen die Bundesrepublik ein. Hierauf bezieht sich der Kläger nun und beantragte am Ende des ersten Verhandlungstages, dem EuGH die Problematik vorzulegen.
„Die Befugnis der Bundespolizei, u.a. im 30-km Grenzbereich Personen ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren, ist ein Einfallstor für das sog. ‚racial profiling’, das eine Form von ethnischer Diskriminierung darstellt“, erklärte die Geschäftsführerin des BUG, Vera Egenberger, nach der Verhandlung. Der Kläger äußerste: „Ich bin seit Januar 2014 bereits zwei weitere Male aufgrund des Verdachtes einer illegalen Einreise kontrolliert worden. Es ist an der Zeit, dass das Gericht dieser unangemessenen Praxis einen Riegel vorschiebt.“
2011 hatte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Koblenz eine öffentliche Debatte über die Rechtmäßigkeit von ‚racial profiling’ ausgelöst.
* Name geändert
Kontakt:
Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG), Vera Egenberger , Telefon: 01577 522 17 83