Die bundesweite Kampagne „Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt!“ veröffentlicht – anlässlich der Ermordung von George Floyd in Minneapolis – ihre bisherigen Rechercheergebnisse zu Todesfällen von Schwarzen Menschen und Menschen of Color in Gewahrsamssituationen in Deutschland seit 1990. Muster institutionellen Rassismus werden hierbei erkennbar.
Berlin, den 8. Juni 2020.
Immer wieder sterben auch in Deutschland Schwarze und People of Color in Gewahrsam von Polizei und anderen staatlichen Institutionen. Eine der Hauptursachen ist institutioneller Rassismus. Die Todesfälle in der letzten Zeit – Hussam Fadl, Amad Ahmad, Matiullah Jabarkhil, Rooble Warsame, William Tonou-Mbobda, Aman A., Adel B. legen nahe, dass Schwarze Menschen und Menschen of Color auch in Deutschland in besonderem Maße gefährdet sind, in staatlicher „Obhut“ ihr Leben zu verlieren oder durch die Polizei getötet zu werden.
Allein zwischen 1990 und 2020 hat die Kampagne bislang 159 Fälle in der BRD recherchiert (Stand Juni 2020). Diese Fälle umfassen u.a. Todesfälle durch Polizeischüsse, durch unterlassene Hilfeleistungen und Todesfälle in Gewahrsam, die von den Behörden als „Suizid“ angegeben werden. Die Kampagne wertet auch diese Fälle als „death in custody“, da unserer Auffassung nach in einer totalen Institution kein freier Wille zur Beendigung des eigenen Lebens gebildet werden kann; außerdem zeigen z.B. die Todesumstände von Oury Jalloh, dass dem behördlichen Narrativ der Selbsttötung nicht ohne Weiteres geglaubt werden darf.
Es sind die Politik, der Justiz- und Sicherheitsapparat und der Verfassungsschutz in diesem Land, die rechte und rassistische Gewalt dulden, verschleiern oder gar mit ihren Ressourcen rassistische Strukturen aufbauen und aufrechterhalten. Durch den Vergleich der einzelnen Fallgeschichten konnte folgende Parallelen ermitteln: Fast nie haben die Todesfälle Konsequenzen für Täter*innen in Uniform; häufig werden die Opfer nach ihrem Tod kriminalisiert, um die Täter*innen zu entlasten und die Verantwortung des staatlichen Gewaltapparats zu verschleiern.
Die Recherchegruppe der Kampagne greift auf verschiedene Dokumentationen und Erhebungen zurück, die in Zusammenschau ausgewertet werden. Dazu zählen u.a. die Dokumentation der Antirassistischen Initiative, die Liste jährlicher Polizeischüsse der CILIP, die Dokumentation der taz zu polizeilichen Todesschüssen sowie Berichte des Europäischen Rats und des Ministeriums für Justiz. Zudem bemüht sie sich durch Vernetzung mit anderen Initiativen, das Anstoßen parlamentarischer Anfragen, sowie zusätzliche zielgerichtete Medienrecherche, um die Sicherstellung einer verlässliche Datenlage. Die Recherche wird laufend ergänzt, eine umfassendere Veröffentlichung der Ergebnisse ist in Planung.
Die Kampagne „Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt!“ hat sich zum Black Lives Matter-Monat 2019 gegründet und ist ein Bündnis aus den Initiativen Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt (KOP), Migrationsrat Berlin e.V., We are born free Community Radio, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V., Justizwatch, BDB e.V., Rote Hilfe Ortsgruppe Berlin, Bündnis gegen Rassismus (Berlin), Hände weg vom Wedding, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Each One Teach One e.V., ReachOut Berlin, GG/BO Soligruppe Nürnberg, Criminals for Freedom Berlin.
Die Kampagne „Death in Custody“:
• Recherchiert, dokumentiert und skandalisiert, wie häufig und kontinuierlich nicht-weiße Menschen in Deutschland in Gewahrsam sterben
• vernetzt Gruppen, für die Tod in Gewahrsam ein besonderes Risiko darstellt, und Initiativen von Angehörigen, um ihren Widerstand zu stärken
• fordert von Staat und Justiz Aufklärung, Rechenschaft und die Etablierung von effektiven Schutzmechanismen, um Tod in Gewahrsam zu verhindern
• fordert die Stärkung der Rechte der Betroffenen und wirksame Konsequenzen gegen Rassismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen
• solidarisiert sich uneingeschränkt mit allen Betroffenen rassistischer Gewalt und deren Angehörigen
Web: https://deathincustody.noblogs.org
Twitter: #DeathInCustodyDE
Instagram: @deathincustodyDE
FB: @deathincustodyDE
Pressekontakt: Céline Barry, celine.barry@eoto-archiv.de, Telefon: 01786520716