Die zivilgesellschaftliche Debatte über Polizeigewalt forderte in den letzten Wochen politische Entscheidungsträger_innen zu mehr Verantwortung auf. Insbesondere rassistisch motivierte Polizeigewalt muss aktiver denn je bekämpft werden. Nachdem die Polizei bereits unverhältnismäßige Gewalt an teilweise minderjährigen Schwarzen und migrantischen Menschen auf der Silent Demo gegen rassistische Polizeigewalt am 06.06. in Berlin anwendete, starben in der letzten Woche zwei migrantische Personen durch rassistische Polizeigewalt. In der Nacht zum Freitag erlag ein 23-jähriger junger Schwarzer Mann den Schussverletzungen durch einen Angriff von Polizist_innen. Am Tag zuvor starb Mohamed Idrissi in Bremen ebenfalls an Schussverletzungen durch die Polizei. Dies sind keine Einzelfälle und passieren auch in keinem Vakuum: Oury Jalloh, Robble Warsame, Christy Schwundeck, Yaya Jabbie, Dominique Koumadio, Laye Condé, John Amadi, N’Deye Mareme Sarr und weitere. Die Liste der Opfer rassistischer Polizeigewalt ist auch in Deutschland lang.
Im Rahmen der Debatte um rassistische Polizeigewalt, dem Machtmissbrauch der Polizei in Deutschland und dem neuen Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) kritisierte unter anderem eine queere Autor_in of Color in der taz das Racial Profiling und die rechtsextremen Tendenzen innerhalb der Polizei in einem satirischen Text. Die Kolumne führte zu großem medialen Aufsehen und zu Strafanzeigen von der Deutschen Polizeigewerkschaft und der AfD-Politikerin Beatrix von Storch wegen angeblicher Volksverhetzung. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer drohte mit einer Anklage, ließ diese aber fallen. Dies ist nichts anderes als ein Versuch, um von dem eigentlichen Diskurs über rassistische Polizeigewalt abzulenken. Als Innenminister trägt Seehofer somit zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft bei und handelt entgegen seiner Verpflichtungen. Öffentliche Statements von Bundesinnenminister Horst Seehofer erstellen zudem ohne jegliche Grundlage einen
erfundenen Zusammenhang zwischen dieser satirischen Zeitungskolumne und den Vorfällen des 20. Juni 2020 in Stuttgart. Der Stuttgarter Polizeipräsident Frantz Lutz gab bei der Pressekonferenz zu diesen Ausschreitungen bereits bekannt, dass man politische Motivationen ausschließen könne.
Die gefährliche Instrumentalisierung dieser Debatte durch den Innenminister spaltet die Gesellschaft. Sie führt auch dazu, dass einzelne Journalist_innen von anderen Rechtspopulisten und Rechtsextremen massiv angefeindet, angegriffen und bedroht werden. In erster Linie ist es jedoch ein Mittel, um sich der Verantwortung zu entziehen, rassistische Institutionen und Praktiken in diesem Land anzuerkennen, zu thematisieren und zu bekämpfen.
Wir fordern:
Wir müssen den Fokus wieder auf das eigentliche Thema lenken, über welches Aktivist_innen, Journalist_innen und Bürger_innen seit Jahren versuchen zu berichten und wovon Horst Seehofer hier versucht abzulenken: Rassistische Polizeigewalt in Deutschland, Cop Culture und rechte Terrornetzwerke, die bis in die Polizei hineinreichen.
Deshalb rufen wir euch zu einer Kundgebung vor dem Ministerium für Inneres, Bau und Heimat am Montag, den 29.06.2020 um 16 Uhr auf, um uns gemeinsam mit den Betroffenen rassistischer Polizeigewalt und denen, die über diese berichten, zu solidarisieren. (Migrantifa Berlin)
Migrantifa bedeutet, migrantische, refugee, Schwarze, jüdische, antirassistische und antifaschistische und Roma Kämpfe zusammenzubringen und stark zu machen. Wir glauben, dass nur durch gemeinsame Kämpfe, die rassistische Spaltung der Gesellschaft überwunden werden kann.