Racial ProfilingWie in Zeiten des „islamistischen Terrorverdachts“ rassistische Polizeigewalt legitimiert wird

27. November 2010by KOP Importer0

Am Samstagvormittag, den 27.11.2010 trafen sich KOP-Aktivist_innen am Berliner Hauptbahnhof, um das Verhalten der Bundespolizei in Zeiten des proklamierten Terrorverdachts gegen „arabisch oder eine andere Fremdsprache“ sprechende Menschen zu beobachten. Das Verhalten der Polizei war erschreckend beruhigend: je zwei in kugelsichere Westen verpackte, schwerbewaffnete Beamte patrouillierten vor den Eingängen des Hauptbahnhofs. Die meiste Zeit erteilten sie verirrten Bahnhofsbesuchern Wegauskünfte. Mit welcher Selbstverständlichkeit diese Bahnhofsbesucher auf die schwerbewaffneten Polizeibeamten zu gingen, verdeutlicht das große Vertrauen, das die Polizist_innen in der (weißen, nicht-muslimischen) Öffentlichkeit genießen.

Identitäts- und Gepäckkontrollen oder von der Bundespolizei angekündigte „verdeckte Maßnahmen“ entlang rassistischer Selektionsmechanismen konnten zu dem Zeitpunkt am Berliner Hauptbahnhof nicht beobachtet werden (was nicht bedeutet, dass diese nicht stattfinden). Wie Sascha Zinflou schreibt ist „die Bedrohung durch islamistischen Terror nicht so konkret, dass es gesellschaftlich durchsetzbar wäre, etwa vermittels Straßensperren alle Passantinnen und Passanten zu kontrollieren“[1. Sascha Zinflou: „Entwurfsmuster des deutschen Rassismus: Ein theoretischer Überblick“ in : Kein Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysorekar (Hg.). „re/visionen – Postkoloniale Perspektiven von People of Color aus Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland.“ 2007 Unrast.]. Der rassistische Diskurs im Rahmen des „Kampfs gegen den Terror“ erweitert vielmehr die politischen, polizeilichen und militärischen Handlungsspielräume im Allgemeinen und insbesondere gegenüber Menschen mit tatsächlichem oder vermeintlichem türkischen oder arabischen Migrationshintergrund[2. Vgl. ebd.]. Neben der durch den Terroralarm erneut entbrannten Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren fordert die Polizeigewerkschaft in der Welt online „gewaltbereite Islamisten vorbeugend in Gewahrsam zu nehmen. Es müsse geprüft werden, ob dies für extrem gewaltbereite Menschen möglich sei“[4. Berlins Innensenator ruft auf, Verdächtige zu melden abgerufen am 28.11.2010]. Wer zu der Gruppe „extrem gewaltbereiter Menschen“ gehört, versucht Familienministerin Kristine Schröder mit allerlei skurrilen Interpretationen nicht vorhandener Studienergebnisse durchzusetzen, nämlich: männliche Jugendliche muslimischen Glaubens. Damit werden rassistische Selektionsmechanismen der Polizei befördert und legitimiert. Wenn es dann zu einem rassistischen Übergriff kommt, „können die Beamten darauf hoffen, dass ein Übergriff zumindest in Kauf genommen wird. Sie können darauf hoffen, dass die Projektion auf den vermeintlichen (…) Terroristen verstanden und die von ihnen vorgenommene Zuordnung ihres Opfers zu dieser Gruppe als verständlicher Irrtum angesehen wird.“[5. Sascha Zinflou: „Entwurfsmuster des deutschen Rassismus: Ein theoretischer Überblick“ in : Kein Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysorekar (Hg.). „re/visionen – Postkoloniale Perspektiven von People of Color aus Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland.“ 2007 Unrast.]. Dieser Entschuldigungsmechanismus für polizeiliche Übergriffe wird durch die geplante Strafmaßerhöhung bei „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ verstärkt. Opfer rassistischer Polizeigewalt sehen sich regelmäßig mit Anzeigen wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ konfrontiert, wodurch die Beamten ihre Übergriffe rückwirkend und erfolgreich vor den Richter_innen legitimieren können.

Im Rahmen des proklamierten „islamistischen Terrorverdachts“ wird entlang kultureller und religiöser Merkmale eine Gruppe von Menschen konstruiert und unter Generalverdacht gestellt, dabei wird die sukzessive Verletzung der Rechte dieser Menschen billigend in Kauf genommen.

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