Am 30. August wurde der Prozess gegen die beiden Berliner Polizeibeamten Frank S. und Sascha G. wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung fortgesetzt.
Die beiden Angeklagten hatten sich zum Prozessauftakt am 2.8.2011 von jeglicher Schuld freigesprochen und ihre beiden als Verstärkung hinzu gerufenen Kollegen beschuldigt.
Bereits das war für langjährige Beobachter_innen von Prozessen gegen Polizeibeamt_innen eine Überraschung, da sich die Polizeibeamt_innen für gewöhnlich gegenseitig decken und nicht beschuldigen.
Am zweiten Prozesstag wurden dann u.a. der Betroffen und Nebenkläger Amare B. und der als Verstärkung hinzu gekommene und von den Angeklagten beschuldigte LKA-Beamte gehört. Die Aussagen der beiden waren weitestgehend deckungsgleich, so dass die Anwältin der Nebenklage von einer Verurteilung der Angeklagten Frank S. und Sascha G. ausgeht. Ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommt, wird sich beim nächsten Prozesstermin am 20. September zeigen.
Auch wenn die Anklage diesmal erfolgreich verlaufen sollte, so zeigt sich auch in diesem Prozess, dass Polizeibeamt_innen als Zeug_innen und Angeklagte einen Sonderstatus genießen.
So wurde bereits der erste Prozesstermin kurzfristig verschoben, da die Angeklagten keine Zeit hatten. Auch beim zweiten Prozesstag am 30.8. konnten nicht alle Zeug_innen gehört werden, dieses Mal befand sich einer der Polizeibeamten in Urlaub.
Während der Zeugenbefragung von Amare B., der erneut in aller Ausführlichkeit das traumatische Ereignis schildern musste, konnten sich die Angeklagten ungestört unterhalten und lachen. Erst als die Frau oder Freundin von Frank S. laut eine abfällige Bemerkung zu den Aussagen von Amare B. aus dem Publikum von sich gab, unterbrach der Richter die Verhandlung.
Die zweite Unterbrechung des Prozesses ließ nicht lange auf sich warten, als der Angeklagte Frank S. völlig unvermittelt und ganz selbstverständlich nach der Zeugenaussage des LKA-Beamten aufstand und dem Richter beim Weggehen erklärt, dass er nun weg müsse, da er noch einen anderen Termin habe. Der Richter wies ihn an zu bleiben, gestattete ihm jedoch seinen Termin zu verschieben. Nach dieser zweiten Prozessunterbrechung sagte der Polizeibeamte Götz B. aus, der in diesem Fall für die Ermittlungen zuständig war. Er kommt zu dem Schluss, dass die beiden Angeklagten zwar an Amare B. „körperlich tätig waren“, dabei jedoch keine willentliche Absicht zu erkennen sei, weshalb er dem Gericht empfiehlt den Vorfall unter „dumm gelaufen“ zu verbuchen und von einer Verurteilung abzusehen.
Das willentliche unter den Tisch kehren des polizeilichen Übergriffs konnte der Ermittlungsbeamte Götz B. jedoch nicht bestreiten, als ihn die Anwältin der Nebenklage darauf aufmerksam machte, dass die beiden Angeklagten den Vorfall nicht dokumentiert hätten. Laut Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nämlich jede_r Polizeibeamt_in dazu verpflicht, jedes „körperliche Tätigwerden“ zu dokumentieren. Unklar blieb, ob das entsprechende Urteil des Verwaltungsgerichts – wie vorgeschrieben – als schriftliche Dienstanweisung in den einzelnen Polizeidirektionen vorliegt.
Für Amare B. steht jedenfalls fest, er wird weiterkämpfen und zur Not auch in Berufung gehen, damit rassistische Polizeigewalt nicht immer wieder einfach unter den Tisch gekehrt werden kann.