Das Interview führte KOP aus Anlass des Symposiums: „Gemeinsam gegen Diskriminierung an Berliner Schulen?!“, das am 01.11.2013 vom MRBB und Open Society Justice Initiative im Rathaus Schöneberg stattfindet. Mehr Informationen finden sich hier.
Der Beitrag findet sich in gekürzter Fassung im Newsletter des MRBB Nr. 7 2013, S. 12ff.
Prolog
Am 14. März 2012 ist Ayfer H. zu einer Schulkonferenz eingeladen. Im Laufe des Gesprächs mit Schulleiter und Lehrer*innen kommt es zu einer verbalen, rassistisch beleidigenden Auseinandersetzung und die Polizei wird verständigt. Die anrückenden Beamten sehen in Ayfer H. die Aggressorin und beschimpfen sie. Ein Polizeibeamter schlägt Ayfer H. mehrmals, bevor sie in Gewahrsam genommen wird. Ayfer H. muss aufgrund ihrer Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. (siehe KOP-Chronik unter https://kopb.uber.space/wp-content/uploads/2023/10/kop-chronik.pdf)
Ayfer H. erstattet Anzeige gegen die Polizisten wegen „Körperverletzung im Amt“. Die Ermittlungen werden zügig eingestellt. Eine Anzeige gegen Ayfer H. wegen angeblicher „Körperverletzung“ führt zum Verfahren und zu ihrer Verurteilung im März 2013. Berliner Organisationen wie ReachOut, der MRBB und KOP kritisieren das Urteil scharf, stellen es in einen Zusammenhang mit institutionell rassistischer Praxis und mobilisieren in Folge zur Solidarität mit der türkischen Frau. Doch auch der Berufungsprozess geht verloren. Sowohl Richter als auch Staatsanwalt diffamieren Ayfer H. als Lügnerin. Sie werten ihr Bemühen um Unterstützung als besonders schwerwiegend manipulatorisch. Die Erfahrungen von Ayfer H. mit Schule, Polizei und Justiz gleichen einer rassistischen Demütigung, wie sie alltäglich ist für nicht-weiße Menschen.
Biplab Basu von der Organisation „ReachOut. Beratung und Bildung für Opfer rechter, rassistischer und antisemtischer Gewalt“ hat Ayfer H. während der Gerichtsprozesse begleitet und beraten. Darüberhinaus ist er seit über zehn Jahren bei KOP aktiv. Wir haben ihn zu seinen Einschätzungen befragt,
– inwieweit das von Ayfer H. Erlebte im Kontext Schule und Rassismus zu verorten ist und
– inwiefern dabei Muster institutionellen Rassismus berührt sind.
Biplab, Du hast Ayfer H. damals bei ReachOut beraten. Kannst Du berichten, wie ihr euch kennengelernt habt?
Mich hat damals eine befreundete Anwältin kontaktiert und mir von einer türkischen Frau erzählt, die wegen ihres Sohnes zu einer Schulkonferenz eingeladen worden war. Sie erzählte, dass die Frau vom Schulleiter zuerst beleidigt und von der später hinzu gerufenen Polizei geschlagen und verletzt worden ist. Der Frau ging es damals sehr schlecht und sie benötigte dringend Beratung und Begleitung. Ich erkundigte mich, ob die Frau von einem rassistischen Motiv hinter dem Handeln von Schule und Polizei ausginge, was die Anwältin bejahte. In der Beratung orientiere ich mich grundsätzlich an der persönlichen Einschätzung meiner Klient*innen, inwieweit sie sich in den konkreten Fällen von Rassismus betroffen sehen. Gehen sie davon aus, dass Rassismus eine Rolle gespielt hat, ist das für mich der Auftrag, sie zu unterstützen. So lernte ich einige Tage später Ayfer H. kennen, die in Begleitung einer Freundin gekommen war. Obwohl die Schulkonferenz schon einige Wochen zurück lag und sie vieles von dem, was ihr widerfahren war, aufgeschrieben hatte, musste sie immer wieder weinen beim Erzählen. Daran erinnere ich mich noch gut. Ich habe verstanden, dass sie die Beleidigungen des Schulleiters und das gewalttätige Verhalten der Polizisten als rassistisch wahrgenommen hat, motiviert dadurch, dass sie eine türkische Frau ist.
Welche Ereignisse sind Ayfer H. von diesem Tag im Gedächtnis geblieben, wovon hat sie Dir erzählt?
Soweit ich mich erinnere, war Ayfer H. damals von der Klassenlehrerin ihres Sohnes zu einer Klassenkonferenz eingeladen worden, an der einige Lehrer*innen, der Schulleiter, eine Sozialarbeiterin für die Schule und sie teilnahmen. Ayfer H. ließ sich von einer Freundin begleiten, da sie sich dadurch sowohl sprachlich als auch emotional sicherer fühlte. Insgesamt gab es ein krasses Missverhältnis der Sprechmöglichkeiten, allein weil so viele Menschen für die Schule an der Konferenz teilgenommen hatten und Ayfer H. lediglich durch eine Freundin unterstützt wurde. Entsprechend hatte sie die Atmosphäre von Beginn an als eine Art Tribunal empfunden. Inhaltlich sollte es um das Verhaltes des Sohnes von Ayfer H. gehen, dem die Lehrer*innen nicht zum ersten Mal vorwarfen, den Unterricht zu stören und andere Schüler*innen vom Lernen abzuhalten. Ayfer H. nahm diese Berichte sehr ernst. Sie war immer der Ansicht, dass es notwendig und richtig sei mit der Schule zu kooperieren und so hatte sie sich zum damaligen Zeitpunkt schon an das Jugendamt gewendet, das ihrem Sohn einen Sozialarbeiter zur Seite gestellt hatte. Dieser Sozialarbeiter begleitete Ayfer H. normalerweise auch zu den Gesprächen in der Schule, war aber an besagtem 14. März 2012 verhindert. Jedenfalls trug die Klassenlehrerin eine ganze Liste von „Schandtaten“ des Sohnes vor. Irgendwann einmal versuchte Ayfer H. sie zu unterbrechen, da sie wie gesagt von den Problemen wusste und sich eher für Vorschläge der Lehrer*innen interessierte. Ayfer H. wollte mit der Schule einen Weg finden, damit ihr Sohn an der Schule bleiben kann, gleichzeitig aber auch einen angemesseneren Umgang an den Tag legt.
Wie ist die Sache dann eskaliert?
Ayfer H. hat erzählt, dass sie schließlich die Frage stellte, ob sie im Unterricht hospitieren könne, um sich einen besseren Eindruck von den Problemen zu machen. Dieses Recht der Eltern ist in §47 Abs. 2 des Berliner Schulgesetzes als grundsätzlich zu gewährendes geregelt. Der Schulleiter reagierte auf die Frage aber völlig ungehalten, stand auf, stoppte Ayfer H. mit den Worten, dass die Schule kein Zirkus sei und wenn alle Eltern plötzlich hospitieren wollten, dann gar kein Unterricht mehr stattfinden könne. Das ist dann derart eskaliert, dass der Schulleiter Ayfer H. mehrmals in unangemessener Weise unterbrach und stoppte. Die Freundin von Ayfer H. verbot sich diesen Umgang, den sie als ausgesprochen beleidigend und respektlos empfand. Daraufhin ist der Schulleiter ausgerastet und wollte die beiden Frauen aus, wie er sagte, seiner Schule werfen. Er wollte die Polizei verständigen. Die Freundin reagierte offensiv und alarmierte ihrerseits die Polizei, um die Beleidigung anzuzeigen. Der Schulleiter und die Freundin von Ayfer H. verließen darauf den Raum. Ayfer H. selbst blieb zwischen den Lehrer*innen und der Sozialarbeiterin sitzen. Als sie irgendwann gehen wollte, wurde sie jedoch daran gehindert. Sie sollte bleiben bis die Polizei kommt. Als dann zwei oder drei Beamte den Raum betraten, wurde sie sehr rüde angesprochen. Sie sollte sofort den Raum verlassen, wurde am Arm gepackt, an den Haaren gezogen und auf den Flur gebracht. Ayfer H. war außer sich, wurde festgehalten und geschlagen. Und das vor den Augen der Lehrer*innen, Sozialarbeiterin, des Schulleiters. Niemand half ihr. Ihre Freundin war zu dem Zeitpunkt ja außerhalb des Schulgebäudes und war von einem Beamten daran gehindert worden das Haus wieder zu betreten. Erst als Ayfer H. schon zutiefst gedemütigt und verletzt war, durfte sie zu ihr gehen.
Du hast gesagt, dass Ayfer H. die gesamte Situation als rassistisch wahrgenommen hat.
Ja, das ist richtig. Sie begründete das damit, dass sie von der gesamten Lehrerschaft komplett respektlos behandelt wurde. Sie konnte überhaupt nicht verstehen, wie eine Mutter, die auf Einladung der Schule an einer Konferenz teilnimmt, einen Hausfriedensbruch begangen haben soll. Und sie konnte nicht begreifen, warum sie, als sie gehen wollte, daran gehindert wurde. Sie nahm es so wahr, dass diese gesamte Umgangsweise mit ihr nur möglich war dadurch, dass sie eine türkische Frau ist.
Warum hat sich später neben ReachOut auch KOP der Unterstützung von Ayfer H. angenommen? KOP arbeitet ja zum Thema Polizei und Rassismus. Welche Rolle hat das neben dem Komplex Schule und Rassismus Deiner Einschätzung nach gespielt?
Also, dass die Polizeibeamten in die Schule kamen, nachdem der Schulleiter sie angewiesen hatte Ayfer H. aus dem Gebäude zu entfernen, verstehen wir. Wenn sie von einem „Hausherren“ aufgefordert werden, jemanden aus „seinem“ Gebäude zu bringen, machen sie das natürlich. Nur haben die Beamten zu Ayfer H. nicht einfach gesagt: „Kommen Sie erstmal mit uns nach draußen, dann nehmen wir Ihre Personalien auf und wenn der Schulleiter eine Anzeige erstatten möchte, dann kann er das machen.“ Vielmehr sind sie mit Ayfer H. in einer Weise gewaltvoll umgegangen, die unserer Einschätzung nach gegenüber weißen-deutschen Menschen undenkbar erscheint. Natürlich haben die Beamten vor Gericht geleugnet, dass sie Ayfer H. geschlagen und an den Haaren gezogen haben. Aber wir haben ihre Verletzungen gesehen und glauben ihr.
Damit sprichst Du das Gerichtsverfahren an. Was ist dort passiert?
Die Polizisten haben behauptet, dass Ayfer H., die ich als kleine und zierliche Frau beschreiben würde, versucht hätte, mit ihrer Handtasche zu schlagen und sich auch gegen ihre Mitnahme wehrte. In der ersten Instanz vor Gericht (Amtsgericht Berlin) hatte Ayfer H. zu den Vorwürfen keine Aussage gemacht. Das war meiner Meinung nach ein Fehler, da hat ihr Anwalt sie falsch beraten. Das Gericht hat damit ihre Wahrnehmung der Situation überhaupt nicht gehört. Als Zeug*innen wurden lediglich die Polizeibeamten, der Schulleiter und die Sozialarbeiterin gehört. Das erschien mir nicht neutral, nicht so als sei in alle Richtungen ermittelt worden. Allerdings hatten schon die eingestellten Ermittlungen im Rahmen der Anzeige von Ayfer H. gegen die Polizisten wegen „Körperverletzung im Amt“ deutlich gezeigt, dass das Interesse des Gerichts nicht auf einer Strafverfolgung der Beamten lag. Jedenfalls fand ich in beiden Verfahren interessant, dass das Schulpersonal den Polizisten in einem Umfang gutes Benehmen und korrektes Verhalten zuschrieben, das die Beamten sich nicht einmal selbst bescheinigten. Ayfer H. verurteilten sie demgegenüber vehement. In Erinnerung ist mir auch der Staatsanwalt geblieben, der Ayfer H. mit maßlosem Eifer im Gerichtssaal angegriffen und der Lüge bezichtigt hat. Ayfer H. wurde von ihm beschuldigt, die Medien (eine türkischen Tageszeitung hatte über den Fall berichtet) und solidarische Organisationen wie den Türkischen Elternverein, ReachOut und KOP zu manipulieren. Das empfanden wir als eine gezielte Diffamierung unserer aller Expertise im Bereich Rassismus.
Der Einschätzung von Ayfer H. und von Euch nach gab es auch sexistische Komponenten, die damals eine Rolle gespielt haben.
Ja. Ich sehe sexistische Komponenten immer dann, wenn Polizist*innen in einer bestimmten Weise mit Frauen umgehen. Und dazu gehört selbstverständlich die Demütigung durch das Ziehen an den Haaren. Das haben wir bis jetzt in der Beratung nur sehr selten von Männern gehört.
Ist das in den Prozessen thematisiert worden?
Im Gegenteil. Ich habe es so empfunden, dass die sexistische Behandlung im Gerichtssaal weiterging. Ayfer H. wurde als hysterisch pathologisiert, vom Staatsanwalt sogar als „wildgewordene Furie“ bezeichnet, wie uns Prozessbeobachter*innen berichteten. Sowieso wird der Einfluss von Sexismus von Gerichten eher ignoriert als aufgegriffen, dafür steht der Fall von Ayfer H. exemplarisch. Die Organisation LesMigras hat dankenswerterweise dieses Problem in ihrem Fall aufgegriffen und eine solidarische Stellungnahme geschrieben (http://lesmigras.de/tl_files/lesmigras/pressemitteilungen/lesmigras_statement_prozessbeobachtung_ayfer_h_2013.pdf).
Du berätst zahlreiche Menschen, die sich von Rassismus im Kontext Polizei betroffen fühlen. Einige von ihnen berichten von Situationen, die im Zusammenhang mit Schulen stattfinden. Erkennst Du Muster, die auf institutionellen Rassismus[1] hinweisen?
Zuallererst finde ich es sehr bedauerlich, dass Schulen in Berlin und vielen anderen Bundesländern mit der Polizei, die eigentlich eine Ordnungsbehörde ist, in einer Weise kooperieren, dass sie als Hort der Kriminalität erscheinen. Diese Kooperation führt dazu, dass die am stärksten von Kriminalitätsvorstellungen und -vorwürfen betroffenen Gruppen, also nicht-weiße Jugendliche, massiv an den Pranger gestellt werden. Polizei und Schule halluzinieren diese Jugendlichen ganz allgemein gesprochen als potenzielle Störer*innen und Kriminelle. In dieser Logik kann man die Lage nur dann kontrollieren, wenn präventive polizeiliche Maßnahmen an den Schulen ergriffen werden und Polizist*innen im Mantel der pädagogischen Begleitung Zugang bekommen. Dieses ganze Muster ist rassistisch: Die Polizei, die eigentlich eine ganz andere Funktion in der Gesellschaft hat, sieht sich plötzlich als einen pädagogischen Arm in den Schulen. Das haben wir in vielen Fällen gesehen. In den meisten Fällen sind ihre Verdächtigungen zwar faktisch unhaltbar. Trotzdem wirken sie insbesondere für nicht-weiße Jugendliche pauschalisierend kriminalisierend in die Gesellschaft hinein.
Denkst Du, dass verantwortliche Akteur*innen an Schulen, also Lehrer*innen, Erzieher*innen aber auch Polizist*innen, auch bei weißen Jugendlichen Kriminalität erwarten?
Das glaube ich nicht. Der Unterschied besteht wahrscheinlich darin, dass sie ihre Straftaten, wie es auch richtig ist, als Einzelfälle behandeln und entsprechend vorgehen. Demgegenüber werden aber Straftaten von nicht-weißen Jugendlichen so gewertet, dass sie die Annahme einer vermeintlich kollektiven Kriminalitätsneigung bestätigen. Hier wird also mit kollektiven Kriminalitätserwartungen hantiert.
Was ich in diesem Zusammenhang sehr bedauerlich finde ist, dass die Lehrer*innengewerkschaft wenig in die Richtung unternimmt, die Behörde Polizei endlich von den Schulen fern zu halten, denn sie besitzt keinerlei pädagogische Kompetenz. Polizist*innen haben meines Erachtens grundsätzlich nichts an Schulen verloren, es sei denn es liegt ein konkreter, zeitlich unmittelbarer und vor allem individueller Verdacht auf eine Straftat gegen Schüler*innen vor.
In vielen Fällen finde ich auch Lehrer*innen ziemlich feige. Im Fall von Ayfer H. habe ich gemerkt, in welcher Weise das gesamte befragte Schulpersonal ausgesagt hat. Sie haben entweder die Polizeibeamten von jeder Schuld freigesprochen oder aber kaum eine Stellung genommen. Einige haben behauptet, die Situation nicht mitbekommen zu haben, obwohl sie sich in unmittelbarer Nähe befanden. Ich frage mich, wie diese Lehrer*innen Zivilcourage vermitteln wollen, wenn sie selber keine haben. Das funktioniert dann nicht.
Kennst Du weitere Berichte aus Deiner Beratung, in denen der Komplex Schule-Polizei-Rassismus eine Rolle gespielt hat?
Ich erinnere mich an die Geschichte eines zwölfjährigen Jungen, der von seinem Direktor einer Schule in Moabit beschuldigt wurde, ihn bedroht zu haben. Die Ermittlungen der Polizei führten sie direkt in die Schule, wo sie den Jungen aufsuchten, ihn aus der Klasse holten und ihn vor aller Augen in Handschellen mitnahmen. Dem Jungen wurde angeordnet, sich auszuziehen und dann wurde er durchsucht. Über all das wurden seine Eltern nicht informiert, weder ihr Einverständnis war eingeholt, noch ihre Begleitung organisiert worden.
In einem anderen Fall, in einer Schule in Tempelhof-Schöneberg glaube ich, wurde einer Schülerin vorgeworfen eine Wand „beschmiert“ zu haben. Der Polizeibeamte, der dazu gerufen wurde, hat dann von zahlreichen Schüler*innen, auf die der Verdacht gefallen war, Handschriftproben genommen. Alle wissen, dass Handschriftproben nicht per Augenmaß, also vor Ort, analysiert werden können, sondern in einem viel komplexeren Verfahren. Ich interpretiere diese Vorgehensweise als unangemessen, als Schikane und Einschüchterung.
Außerdem sind mir Presseartikel von einem Vorfall in München im Gedächtnis geblieben. Dieser Fall ist nicht aus meiner Beratung. An einer Schule, die überwiegend von nicht-weißen Jugendlichen besucht wurde, unterrichtete ein Polizist eine achte Klasse gerade zum Thema Zivilcourage, als ein 16-jähriges Mädchen einen fünf Euro Schein vermisste. Der Beamte forderte die Klasse auf, die Tat zu gestehen. Weil sich jedoch niemand meldete ordnete er die Durchsuchung der gesamten Klasse, z.T. sogar die Leibesvisitation, an. Das Geld wurde dabei nicht gefunden. Der Beamte war als sog. Jugendbeamter im Dienst (http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.polizeieinsatz-wegen-fuenf-euro-leibesvisitationen-bei-ganzer-schulklasse.a6b3611b-59ca-4486-89b3-747c2768c7e2.html). Und die Lehrer*innen sind nicht eingeschritten, haben die gesamte Aktion sogar zugelassen (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/leibesvisitation-bei-schuelern-lehrer-haben-polizei-kontrollen-toleriert-1.1539673).
Das Traurige ist, dass Maßnahmen wie diese von Politiker*innen, Schulbehörden, aber auch zahlreichen Lehrer*innen als sinnvoll verteidigt werden, da sie Kriminalität verhindern bzw. rasch aufklären könnten. Dass diese Maßnahmen an Schulen umgesetzt werden, gilt quasi als Beweis dafür, dass dort auch (potenziell) Kriminalität stattfindet. Zur Wirksamkeit solcher Maßnahmen liegen meines Wissens nach keine empirischen Daten vor, ebensowenig wie über deren destruktive Effekte. Die Gespräche mit Eltern jedenfalls deuten auf eine hohe psychische Belastung infolge solcher Maßnahmen hin, die Vertrauen unter den Schüler*innen, gegenüber Lehrer*innen aber auch Polizist*innen zerstören.
Wie kann eine antirassistische Praxis im Zusammenhang mit Schule, Polizei und Rassismus aussehen?
Ich denke das Wichtigste ist, dass wir anerkennen, dass es Rassismus in der Polizei und in Schulen gibt. Mit Letzterem meine ich nicht ein Problem unter Schüler*innen, sondern Rassismus ausgehend von Lehrkräften, der Organisation des Schulbetriebs, der Zugänge in Lehrmaterialien. Dass Rassismus in diesen Bereichen alltäglich reproduziert wird, Kriminalitätsvorstellungen unhinterfragt angenommen werden, das gilt es nicht nur aufzudecken. Es müssen auch wirksame Maßnahmen entwickelt werden, um Menschen darüber zu informieren und auch dagegen zu mobilisieren.
[1] Rassismus, der von Institutionen der Gesellschaft, von ihren Gesetzen, Normen und ihrer internen Logik ausgeht, unabhängig davon inwiefern Akteur*innen innerhalb der Institutionen absichtsvoll handeln oder nicht. (Sebastian Friedrich und Johanna Mohrfeldt: Alltägliche Ausnahmefälle – Zu Institutionellem Rassismus bei der Polizei und der Praxis des „Racial Profiling“, in ZAG – antirassistische Zeitschrift, Berlin, Nr.61, Juli 2012)