Frankfurt, 30. Oktober 2014
Eine lückenlose Kette von Beweisen von Ereignissen gibt es nicht, wenn vier Aussagen gegen eine stehen: Die von vier Polizisten gegen den Kläger Derege Wevelsiep. Der erste Tag der Verhandlung am Frankfurter Gericht war schon allein deshalb nicht leicht für den Kläger.
Neben Wevelsiep und seiner Frau wurden Matthew S. Und die drei Kollegen des beschuldigten Polizisten gehört. Die Darstellung, Wevelsiep hätte emotional und erregt reagiert, wurde in der Argumentation der Gegenseite immer wieder als Begründung für seine Fesselung angebracht. Mehr noch: Wevelsiep soll sich seine Kopfwunde beim Einsteigen in den Streifenwagen selbst zugefügt haben. Vier Polizisten fixieren einen Menschen zur so genannten Eigensicherung der Polizei, weil eine vermeintliche Gefahr von einer erregten Person ausgeht und fahren mit zwei Streifenwagen zu dessen Wohnung, um seine Personalien festzustellen und machen gegen seinen Willen Fotos von ihm. Wir hoffen, dass diese polizeilichen Maßnahmen nicht zum Standart erklärt werden. Diese Methoden sind alles andere als deeskalierend“, sagte Tahir Della, Vorstandsmitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) nach dem Prozess.
Das 6. Revier in Frankfurt ist in Juristenkreisen als nicht gerade zimperlich bekannt ist. Der angeklagte Polizist Matthew S. war schon einmal wegen Körperverletzung im Amt von einem Fußball-Fan angezeigt worden. „Wenn man den ärztlichen Befund über eine Gehirnerschütterung, Prellung des Thorax, des Knies und der Hüfte liest – erscheinen die Argumente der Gegenseite absurd“, sagt Biplab Basu von KOP. Doch seien es nicht nur die körperlichen Verletzungen, sondern vor allem die seelischen, die in Fällen von Racial Profiling unterschätzt würden.
Traumatisierung durch Polizeigewalt ist ein Aspekt, auf den die ISD mit der Kampagne „Stop Racial Profiling“ seit mehreren Jahren aufmerksam machen will. Im Fall von Wevelsiep hat sie Auswirkungen auf die ganze Familie. Der dreijährige Sohn musste dabei zusehen, wie ruppig die Polizei mit seinem Vater umging, bevor er mitgenommen wurde. In der Verhandlung berichtete Wevelsiep über die abschätzige Behandlung der Polizisten, die ihn an dem Abend duzten und an keinem Gespräch mit ihm interessiert gewesen seien. Sein Anruf bei den Eltern wurde weggedrückt, als er sich beschwert, dass sie ihm Handschellen anlegen wollten. Das Letzte, was der Vater hört, sind die Worte eines Polizisten: „Du dummer Schwätzer.“ Diese Aussage bestätigte einer der als Zeugen geladenen Polizisten.
„Es geht einerseits um das Vertrauen in die Polizei aber auch um das Gefühl, das Schwarzen Menschen oder People of colour vermittelt wird – nicht dazuzugehören und kriminalisiert zu werden“, sagt ISD-Vorstandsmitglied Tahir Della. Das sei im Subtext der Argumentation der Polizisten vor Gericht mehr als deutlich geworden, deren Strategie es gewesen sei Wevelsiep zum
Rassismus-Opfer zu stilisieren, das sich im Umkehrschluss als Täter an den Polizisten rächen und sie diffamieren will. „Hier geht es jedoch um Körperverletzung im Amt und die Tatsache, dass dem ein Fall von Racial Profiling zugrunde liegt. Denn genau das beschreibt die Art und Weise wie die Personalien von Wevelsiep festgestellt wurden“ sagt Della. Zurecht habe der Richter deshalb den Angeklagten und die Zeugen mehrmals gefragt, ob es nicht genügt hätte, wenn Wevelsiep seine Papiere am nächsten Tag auf dem Revier gezeigt hätte.
Ein Urteil für den Prozess wird es voraussichtlich beim nächsten Verhandlungstag am 6. November geben. Auch hier werden Unterstützer_innen der ISD und KOP dem Prozess beiwohnen. Start der Verhandlung ist 10:30 Uhr, Hammelgasse 1, Saal 11_E, 1.OG.
Bei Rückfragen:
Tahir Della und Hadija Haruna für ISD: 0157 – 79013125
Biplab Basu für KOP: 0179 544 1790
Pressespiegel
http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Polizeigewalt-Polizist-beteuert-seine-Unschuld;art675,1105066
Vorab-Artikel:
http://www.welt.de/print/welt_kompakt/frankfurt/article133755479/Der-Fall-Wevelsiep-vor-Gericht.html