Gemeinsame Pressemitteilung vom Flüchtlingsrat Berlin, dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Evin e.V. und Reach Out vom 23.7.2019
Am frühen Morgen des 2. Juli 2019 drang die Polizei gewaltsam in eine Jugend-WG des Trägers Evin e.V. ein. Die Beamten traten Türen ein, zogen dort schlafende Jugendliche mit vorgehaltener Waffe aus den Betten und legten Sie in Handschellen. Bei keinem der Jugendlichen gab es einen Verdacht auf eine Straftat. Die Polizei wollte die Räume eines dort gemeldeten jungen Menschen durchsuchen, der bereits vor zwei Monaten in eine andere Jugendhilfeeinrichtung verlegt worden war. Der Flüchtlingsrat Berlin, der Bundesfachverband umF, ReachOut – Berlin und Evin e.V. fordern die Berliner Polizei, den Senator für Inneres und die Senatorin für Jugend auf, den Fall aufzuklären und sicherzustellen, dass bei Polizeieinsätzen in Jugendhilfeeinrichtungen unbeteiligte dort lebende junge Menschen vor rechtswidrigen und unverhältnismäßigen Maßnahmen geschützt werden.
„Alle anwesenden Jugendlichen wurden von der Polizei wie Schwerkriminelle behandelt“, erklärt Andreas Meißner von Evin e.V. „Durch den Polizeieinsatz wurden die Jugendlichen extrem verängstigt. Ob sie psychische Folgeschäden davontragen, wird sich noch herausstellen. Ihr Vertrauen in die Polizei ist in jedem Fall erschüttert. Unsere pädagogische Arbeit zur Stabilisierung der jungen Menschen wird durch ein solches Vorgehen konterkariert.“
Gegen unbeteiligte Personen, insbesondere wenn es sich um Minderjährige handelt, darf nur in absoluten Ausnahmefällen polizeilicher Zwang eingesetzt werden. Zudem ist fragwürdig, ob die Räume überhaupt hätten betreten werden dürfen. Zwar lag ein Durchsuchungsbeschluss vor, allerdings nur für die Räume des Gesuchten und nicht für die Räume der unbeteiligten dort wohnenden Jugendlichen.
„Die Art der Durchsuchung war klar rechtswidrig. Unbeteiligte Jugendliche mit der Waffe zu bedrohen ist nicht zulässig. Wir erwarten, dass der Fall aufgeklärt wird und die Berliner Polizeirechtmäßig handelt“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband umF, „GeflüchteteJugendliche dürfen nicht einfach unter Generalverdacht gestellt und wie Komplizen behandelt werden – nur weil sie mit einer gesuchten Person in einer Einrichtung gemeldet sind.“
„Dies ist kein Einzelfall. Die Polizei muss sofort damit aufhören – ohne Not – überfallartig in der Nacht in die Wohnungen von geflüchteten Jugendlichen einzudringen und öffentlich erklären, welche Maßnahmen sie gegen das rechtswidrige Verhalten der Beamten einleitet“, erklärt Biplab Basu von ReachOut – Berlin.
Bereits in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 2018 durchsuchten Polizist/innen gewaltsam eine betreute Jugendwohngruppe in Berlin, wobei nach Angaben des Trägers zwei geflüchteten Jugendlichen schwer misshandelt wurden. Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses beschäftigte sich daraufhin mit der polizeilichen Durchsuchung.
„Die Rechte von unbeteiligten jungen Menschen müssen bei Durchsuchungen in Jugendhilfeeinrichtungen besser geschützt werden. Die Senatorin für Jugend, Sandra Scheeres, muss im Senat wirksame Vereinbarungen zu Polizeieinsätzen in Jugendhilfeeinrichtungen durchsetzen, die sicherstellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen“, erklärt Nora Brezgervom Flüchtlingsrat Berlin.
Ansprechpartner/innen:
Nora Brezger, Flüchtlingsrat Berlin, T: 030/22476311, E:
brezger@fluechtlingsrat-berlin.deTobias Klaus, Bundesfachverband umF, T:
030/82097430, E: t.klaus@b-umf.de
Biblap Basu, Reach Out, T: 0179/5441790, E: biplab_basu@reachoutberlin.de