Gemeinsame Pressemitteilung des Flüchtlingsrat Berlin, Guinée Solidaire, BBZ, ReachOut und KOP
Die Vorführung ausreisepflichtiger Geflüchteter vor sogenannten Delegationen ihrer vermeintlichen Herkunftsländer soll mit deren Hilfe die Ausstellung von „Abschiebepapieren“ die Abschiebung der Betroffenen erreichen.
Aktuell hält sich eine guineische Delegation in Berlin auf, der die Polizei im Auftrag des Landesamtes für Einwanderung (LEA) ausreisepflichtige guineische Geflüchtete vorführt. Ein Charter-Abschiebeflug soll für den 15. März geplant sei.
Diese Vorführungen und die geplante Abschiebung durch den Berliner rot-rot-grünen Senat erfolgen ungeachtet der angespannten politischen Lage in Guinea. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch berichten von massiven Menschenrechtsverletzungen im Land, zu denen es in Folge der Präsidentschaftswahlen im Oktober letzten Jahres gekommen ist.[1] Gegen oppositionelle Demonstrant*innen, darunter viele Minderjährige, die gegen die dritte umstrittene Amtszeit von Präsidenten und Diktator Alpha Condé auf die Straße gingen, wurde von Seiten der Sicherheitskräfte massiv unter Hinnahme von Todesopfern vorgegangen.
„Willkürliche Übergriffe gegen Zivilist*innen und Demonstrant*innen, ethnische Auseinandersetzungen oder exzessive Gewaltanwendung von Sicherheitskräften sind an der Tagesordnung. Straflosigkeit für die jeweiligen Täter ist weit verbreitet“, so Balde Aissatou Cherif von der Organisation Guinée-Solidaire
Die Bevölkerung in Guinea ist außerdem mit einer sich anbahnenden humanitären Katastrophe durch die erneute Ausbreitung des Ebola-Virus konfrontiert, zusätzlich zu den Belastungen und Gefährdungen durch die Corona-Pandemie.[2]
Auch aus rechtlichen Gründen ist die Unterstützung der guineischen Delegation durch den Berliner Senat höchst fragwürdig, da diese nicht von der – derzeit geschlossenen – guineischen Botschaft in Berlin aus agiert, sondern sich der „Gastfreundschaft“ deutscher Behörden, darunter dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfreut. Es stellt sich somit die Frage der rechtlichen Legitimation der Mitglieder der Delegation.[3]
Bei den Zwangsvorführungen kommt es immer wieder zu körperlicher Gewalt durch Polizeibeamt*innen, so zuletzt Ende Februar bei dem 18 Jährigen M., der anlasslos in eine Personenkontrolle der Berliner Polizei geriet und nach Rücksprache mit der für ihn zuständigen Ausländerbehörde der guineischen Delegation in Berlin zwangsvorgeführt wurde.
„Sie haben mich getreten und geschlagen wie einen Hund, um mich vor die Delegation zu zerren,“ so M. aus Guinea, der nach der Vorführung einen Nervenzusammenbruch erlitt und seitdem stationär behandelt werden muss.
„Wir stehen im BBZ mit Jugendlichen aus Guinea in Kontakt und betreuen diese schon seit längerem bei ihrer schulischen und beruflichen Entwicklung. Viele sind als schwer traumatisierte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Berlin gekommen. Sie stehen unter dem massiven Druck der drohenden Abschiebung und sind in einer psychischen Ausnahmesituation. Zudem werden ihre hart erarbeiteten Erfolge wie ein Schulabschluss oder der Ausbildungsbeginn konterkariert und in Frage gestellt. Ein Schlag ins Gesicht der jungen Menschen, die auch die Jugendhilfebetreuer*innen und Lehrer*innen ratlos zurück lässt,“ so Poyraz Hannutoglu vom BBZ.
Wir fordern den Berliner Senat auf, die rechtswidrige Delegations-Vorführungen nicht zu unterstützen und auf Abschiebungen nach Guinea zu verzichten.
Der selbst gewählte Anspruch einer humanitären Flüchtlingspolitik des R2G-Senates in Berlin sollte mit einem Bleiberecht für die betroffenen guineischen Flüchtlinge untersetzt werden und in praktische politische Schritte münden.
Andernfalls legitimiert der Berlin Senat das Regime in Guinea und seine Entsandten anstatt die Kooperation mit einem Unrechtsregime zu skandalisieren und sanktionieren.
Pressekontakte
Guinée Solidaire: Balde Aissatou Cherif, Tel. 0159 0160 4413
Flüchtlingsrat Berlin: Nora Brezger, E-Mail brezger@fluechtlingsrat-berlin.de
BBZ: Daniel Jasch, Tel. 0152 5217 8042
[1] https://www.hrw.org/news/2020/12/14/relentless-crackdown-guineas-opposition
[2] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/ebola-und-corona-in-guinea-an-der-front-gegen-zwei-viren-17207669.html
[3] Antwort der Bundesregierung vom 15.12.2020 auf die Anfrage „Praxis von Botschaftsanhörungen zur Passersatzbeschaffung und menschenrechtliche Situation in Guinea“ https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/252/1925290.pdf