Nach neun zum Teil zermürbenden Prozesstagen, wurde am 03.07.2010 endlich das Urteil gegen die Angeklagten erwartet. Der Saal 1, in dem seit Mai verhandelt wurde, ist voll, viele müssen vor der Tür bleiben. Und dann wird das Urteil verlesen: der Todesschütze wird wegen des Vorwurfs des „minder schweren Totschlags“ zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Das bedeutet, seine Schuld ist anerkannt, aber er muss nicht in Haft. Für die Familie und Freund_innen von Dennis ein unerträglicher Gedanke: Tumulte brechen aus, es kommt zu Verhaftungen und „Mörder“-Rufen vor der Tür. Familie, Freund_innen und Unterstützer_innen stehen einander bei, bedrängen die agierende Polizei.
Im Gerichtssaal verliest der Richter derweil die Begründung für seine Entscheidung: zweifellos hätte es sich nicht um Notwehr gehandelt, aber es sei eine unübersichtliche Situation gewesen. Als Minderungs- und Bewährungsgründe sei berücksichtigt worden, dass der Verurteilte nicht mehr in den Polizeidienst zurückkehren könne, seine Existenzgrundlage verliere. Außerdem wäre eine Bedrohungslage in Haft zu erwarten gewesen, da der Beamte sich Menschen gegenübersehen könnte, die er selbst in Haft gebracht hatte. Positiv ausgelegt wurden weiterhin eine positive Sozialprognose, fehlende Vorstrafen und eine bislang tadellose Polizeikarriere. Die ist nun glücklicherweise beendet.
Beim Urteil gegen die Angeklagten, die sich wegen „Strafvereitelung im Amt“ zu verantworten hatten, wird der Richter sehr deutlich: Beide seien überhaupt nicht glaubwürdig gewesen darin, dass sie die Handlungen des Todesschützen nicht wahrgenommen haben wollen. Dann spricht der Richter viel von Korpsgeist: es sei für Polizist_innen besonders schwer gegen Kolleg_innen auszusagen. Und dies sei nicht „ein besonderes Spezifikum der Berliner Polizei“. Richtig erkennt der Richter, dass Polizeibeamt_innen der Wahrheit verpflichtet sein müssten, und nicht ihren Kolleg_innen. Umso skandalöser, dass genau dieser Umstand als Minderungsgrund für das Strafmaß herangezogen wird. Dieses systemimmanente Fehlverhalten der Polizei wird durch diese Perspektive weiter aufrechterhalten. Und die Justiz bleibt Handlanger. Am Ende werden beide zu einer Geldstrafe verurteilt, die zu mindestens so hoch ist, dass sie im „Polizeilichen Führungszeugnis“ –und das ist in diesem Zusammenhang fast zynisch- nicht verborgen bleiben wird.
Die Verteidigung hat direkt im Anschluss angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Und die Unterstützer_innen, Freund_innen und Dennis Familie treffen sich am Abend in Berlin-Neukölln zu einer Kundgebung. Hier werden sie ihrer Meinung lautstark Gehör verschaffen.
Die Urteilsverkündung im Fall Dennis haben wir zum Anlass genommen ein Dossier zusammenzustellen, das sich hier findet.