junge Welt, 19.10.2013 / Inland / Seite 2
Hamburgs Polizei kontrolliert gezielt Schwarzafrikaner. Das ist »racial profiling« und gesetzwidrig. Gespräch mit Carsten Gericke, Rechtsanwalt in Hamburg
Interview: Gitta Düperthal
Wenige Tage, nachdem über 300 Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken, ist die Hamburger Polizei dazu übergegangen, gezielt Schwarzafrikaner zu kontrollieren. Aus den USA ist dafür der Begriff »racial profiling« bekannt – ist das nicht auch bei uns rechtswidrig?
Dem Senat geht es offenbar darum, mit allen Mitteln Druck auf die Flüchtlinge auszuüben, die für ihr Aufenthaltsrecht streiten: Personenkontrollen, erkennungsdienstliche Maßnahmen und Freiheitsberaubung: Das erleben wir seit einer Woche. Mehr als 60 Personen sind mittlerweile betroffen; Höhepunkt war eine mehr als 24stündige Freiheitsentziehung am Mittwoch. Offenbar sind Hautfarbe und Herkunft das Kriterium für den Zugriff. Am Donnerstag abend haben eine Kollegin und ich für einen Betroffenen, der Samstag vergangener Woche verhaftet worden war, Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg eingereicht.
Die Polizei braucht für Maßnahmen auf offener Straße Anhaltspunkte. Fragt sich, worauf sie in diesem Fall ihre Annahme einer »vorliegenden Gefahr« stützt: Unser Mandant hatte an einer roten Ampel in St. Pauli gewartet – in einem Stadtteil, der seit jeher Einwanderungsviertel ist. Plötzlich umringten ihn Polizisten und kontrollierten ihn – was gegen das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz verstößt. weiterlesen