Generalbundesanwalt weist Strafanzeige der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh direkt an die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau zurück
Genau drei Monate nachdem die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh Strafanzeige wegen Mord oder Totschlag gegen unbekannte Polizisten beim Generalbundesanwalt eingereicht hat, erklärt der Karlsruher Oberstaatsanwalt Matthias Krauß in seinem Schreiben vom 11. Februar 2014, dass diese Strafanzeige nicht in den Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwaltschaft falle.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts Magdeburg, so Krauß, hätte in der Frage, ob Oury Jalloh durch Dritte angezündet wurde, keine Rechtsfehler erkennen lassen. Alle in der Anzeige angeführten Indizien und Beweise, inklusive das neue Brandgutachten, das von der Initiatve in Gedenken an Oury Jalloh in Auftrag gegeben und am 12. November 2013 auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt worden war, haben bei den höchsten Staatsanwälten der Bundesrepublik offensichtlch keine “vernünftigen Zweifel” an der Selbstentzündungsthese aufkommen lassen.
Ein herber Rückschlag für die Glaubwürdigkeit der deutschen Justiz. Insbesondere das neue Brandgutachten hat eindringlich bewiesen, dass es unmöglich ist, mit einem einfachen Gasfeuerzeug einen derartigen Vollbrand der Matratze zu verursachen, geschweige denn einen menschlichen Körper zum Brennen zu bringen. Ein auf diese Weise entfachtes Feuer erlischt nach kurzer Zeit von allein, weil die schwer entflammbare Umhüllung der Matratze sowie die Auflage eines 70 kg schweren Körpers einer vergleichbaren Brandentwicklung, wie sie am 7.1.2005 stattgefunden haben muss, entgegenstehen. Stattdessen konnte in den Versuchen des unabhängigen Brandsachverständigen Smirnou erst durch den Einsatz von fünf Litern Benzin und einer komplett geöffneten Matratzenhülle ein ähnliches Brandbild wie das in der Zelle 5 erreicht werden.
Karlsruhe argumentiert, dass die Ergebnisse des Gutachters Smirnou gar nicht relevant seien, da bewiesener Maßen keine Brandbeschleuniger am Tatort gefunden wurden. Es wurden tatsächlich keine Brandbeschleuniger am Tatort gefunden, aber nur deshalb, weil in der Zelle 5 gar nicht nach Brandbeschleunigern gesucht worden war! Der Ausage einiger Polizeizeugen, dass sich auf dem Boden der Zelle Nr. 5 eine Flüssigkeit befunden habe, die kein Urin gewesen sei, wurde nie nachgegangen! Derartige Unstimmigkeiten werden im Schreiben vom Generalbundesanwalt jedoch einach übergangen.
Das Landeskriminalamt von Sachsen-Anhalt, das vom Innenministerium mit der Tatort- und Spurensicherung beauftragt worden war, hatte weder einen Brandsachverständigen an den Tatort gerufen noch enstprechende gaschromatographische Untersuchungen auf Brandbeschleuniger vorgenommen. Außerdem wurden drei Tage später im Labor nur zwei von vier Brandschutttüten auf mögliche Reste von Brandbeschleunigern geprüft. Hierbei handelte es sich allerdings um Brandschutt, der unterhalb des Leichnams sowie über dem Kopf von Oury Jalloh entnommen worden war. Warum wurde nicht der gesamte Brandschutt eingetütet und auf Brandbeschleuniger untersucht? Warum wurde kein Brandsachverständiger an den Tatort gerufen?
Dass sich die Ermittlungen zur Todesursache von Anfang an auf die unglaublichste aller möglichen Erklärungen – der Selbstentzündungshypothese – beschränkten, scheint auch dem Generalbundesanwalt völlig einleuchtend. So argumentiert Oberstaatsanwalt Krauß, dass es nicht die Aufgabe der Magdeburger Richter gewesen sei, ein Urteil mit absoluter Gewissheit zu treffen, “es genügt vielmehr ein mit den Mitteln des Strafverfahrens gewonnenes, nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, dass keinen vernünftigen Zweifel bestehen läßt.” Es genügt also, wenn der Tatverlauf in den Augen der Richter, gemessen an ihrer Lebenserfahrung, plausibel klingt und diese von seiner Richtigkeit überzeugt sind, auch wenn im Fall von Oury Jalloh das schier Unmögliche als unumstößliche Wahrheit festgelegt wurde.
Für die deutsche Justiz erscheint es demnach lebensnah, dass Oury Jalloh, der an Händen und Füßen gefesselt worden war, physikalische Gesetze außer Kraft setzt. Wie sollte es Oury Jalloh möglich gewesen sein, ein Feuer zu entfachen, das in kürzester Zeit die nötige Temperatur und Brennkraft entwickelt, um einen Vollbrand der Matratze herbeizuführen und sogar einen menschlichen Körper zum Brennen bringt? Man könnte auch fragen, wie häufig sich Menschen, die an Händen und Füssen auf eine feuerfeste Matratze in Polizeigewahrsam gefesselt wurden, selbst verbrannt haben? Dagegen stellt sich die Frage, wie oft Menschen von rassistischen Polizisten misshandelt oder getötet wurden und diese Polizisten dafür nicht oder nur mit geringer Strafe strafrechtlich belangt wurden?
Wenn die vom Innenministerium Sachsen-Anhalt vorgegebene und von der Staatsanwalschaft Dessau – Roßlau vertretene Hypothese, Oury Jalloh habe sich selbst angezündet, sowohl der Lebenserfahrung der Magdeburger Richter als auch der Bundesanwaltschaft entspricht, dann bleibt der Öffentlichkeit nichts anderes übrig, als die Glaubwürdigkeit und die tatsächlichen Interessen dieser Staatsanwälte und Richter weiter in Frage zu stellen.
Zynischer hätte die Antwort aus Karlsruhe nicht klingen können: “Ihre Strafanzeige im Zusammenhang mit dem bedauerlichen Tod des Oury Jalloh am 7. Januar 2005 im Polizeigewahrsam des Reviers Wolfgangstrasse in Dessau habe ich an die zuständige Staatsanwaltschaft in Dessau-Roßlau weitergeleitet, weil ich auch unter Berücksichtigung der von Ihnen vorgelegten Informationen aus rechtlichen Gründen nicht berechtigt bin, das Verfahren an mich zu ziehen.”
Bedauerlich ist hier, dass eine schwerwiegende Beweislast – die eindeutig für die Ermordung von Oury Jalloh durch Polizeibeamte spricht – vom Generalbundesanwalt ignoriert und heruntergespielt wird. Bedauerlich ist, dass ein Mensch in einer Polizeizelle lebendig verbrannt wird und die Öffentlichkeit von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern jahrelang schamlos belogen wird.
Nun soll sich die Staatsanwalschaft in Dessau – Roßlau mit der Anzeige der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh beschäftigen. Und wieder erscheint die Auffassung des Generalbundesanwaltes alles andere als lebensecht, wenn man in Karlsruhe offensichtlich davon ausgeht, dass die bisher zuständigen Staatsanwälte Bittmann und Preissner gegen sich selbst ermitteln oder ihre manipulativen Eingriffe im Fall Oury Jalloh eingestehen oder gar zur Anklage bringen würden.
Die Reaktion des Generalbundesanwaltes kommt keinesfalls unerwartet. Der jahrelange Kampf um die Aufklärung der Todesursache von Oury Jalloh vor den Gerichten in Sachsen – Anhalt hat eines gezeigt: Lieber das Unmögliche zur Wahrheit verklären, getreu der Devise „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“, als endlich einzugestehen, dass Oury Jalloh von deutschen Polizisten aus rassistischen Gründen gefoltert, mit Benzin übergossen und angezündet wurde.
Oury Jalloh – Das war Mord!
mehr Infos:https://initiativeouryjalloh.wordpress.com