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Bericht vom 2. Verhandlungstag
Am 15. März 2019 fand im Prozess gegen die schwarze Geflüchtete Fatou ein zweiter Verhandlungstag statt. Wieder sind um die 40 Menschen gekommen, um den Prozess solidarisch zu begleiten. Fatou wird vorgeworfen, im Juni 2018 trotz Hausverbots einen Netto-Supermarkt in Bamberg betreten und eine Dose Katzenfutter auf einen dort tätigen Wachmann geworfen zu haben. Dafür bekam Sie einen Strafbefehl von 120 Tagessätzen. Sie bestreitet jedoch die Vorwürfe und betont, dass der Wachmann sie zuerst rassistisch kontrolliert und später misshandelt hat. Gegen den Strafbefehl legte sie Einspruch ein. Trotz dünner Beweislage und widersprüchlicher Aussagen der Belastungszeug*innen wurde Fatou am 15. März der versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und zu 35 Tagessätzen verurteilt.
Der am ersten Verhandlungstag am 8. März geladene Polizeizeuge hatte Fatou mehrmals als „aggressiv“, „unkooperativ“ und „gefährlich“ dargestellt, konnte aber zu den angeklagten Taten nichts Relevantes sagen. Daher waren für den 15. März weitere Zeug*innen geladen: der Wachmann, der Fatou kontrolliert und misshandelt hatte, eine Mitarbeiterin des Netto in leitender Position, eine weitere Netto-Mitarbeiterin, sowie ihr Freund, der zum Zeitpunkt der „Tat“ privat in dem Supermarkt gewesen sein soll. Alle sind gut bekannt mit dem Wachmann.
Alle geladenen Zeug*innen belasteten Fatou, indem sie behaupteten, den Wurf der Katzenfutterdose gesehen zu haben. Im Detail unterschieden sich ihre Angaben allerdings in wichtigen Punkten, besonders die Version des vermeintlich geschädigten Wachmanns wich erkennbar von den Darstellungen der anderen Zeug*innen ab. U.a. behauptete er, Fatou habe ihn vor dem Wurf geohrfeigt – eine Aussage, die sonst niemand bestätigen konnte.
Die Staatsanwältin stellte einerseits fest, dass die Aussage des Wachmannes „mit Vorsicht zu genießen“ sei. Die voneinander abweichenden Angaben würden aber andererseits gerade dafür sprechen, dass die Zeug*innen ihre Aussagen nicht abgesprochen hätten. Die Richterin schloss sich dieser Sichtweise an und kam zu dem Schluss, dass das Kerngeschehen, der Wurf der Dose, sich bestätigt habe. Dass Fatou am Ende „nur“ zu 35 Tagessätzen verurteilt wurde, lag daran, dass die Richterin von einer verminderten Schuldfähigkeit ausging, da Fatou ‚psychische Probleme‘ habe.
Die strukturellen Ursachen dieser ‚Probleme‘ oder auch ihrer Wut wurden im Prozess jedoch an keiner Stelle benannt: Die wiederholten rassistischen Schikanen im Lager und außerhalb des Lagers, darunter die rassistisch motivierte Taschenkontrolle, mit der die Netto-Geschichte ihren Anfang nahm. Das Gericht hat auch nicht berücksichtigt, dass Fatou die einzige ist, die bei den darauf folgenden Geschehnissen verletzt wurde und versäumte es, den weißen Zusammenhalt der Zeug*innen gegen eine angeblich „hysterische“, „aggressive“ oder „labile“ Schwarze Frau zu hinterfragen. Mit seiner Entscheidung trägt das Amtsgericht Bamberg zur Normalisierung rassistischer Gewalt und zur Stigmatisierung von Schwarzen und geflüchteten Menschen bei.
Fatou hat Courage gezeigt: Sie wollte die rassistische Kontrolle und die Schikanen durch den Netto-Wachmann nicht hinnehmen und hat Anzeige erstattet. In der Folge wurde sie durch die Strafjustiz kriminalisiert. Jetzt droht ihr ein weiteres Verfahren, weil sie auch gegen die Polizei Anzeige erstattet hat. Wir fordern ein Ende der rassistischen Verdächtigungen und der Gewalt gegen Geflüchtete und von deren Kriminalisierung durch die Strafjustiz! Wir werden weiterhin solidarisch an Fatous Seite stehen und, wenn ein weiterer Prozess ansteht, zur Prozessbeobachtung aufrufen.
Weitere Informationen:
Bericht vom ersten Verhandlungstag am 8. März
Aufruf mit Informationen zum Hintergrund des Prozesses
Auch um Spenden für die Anwalt- und Gerichtskosten wird weiterhin gebeten:
Bayerischer Flüchtlingsrat
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE89 7002 0500 0008 8326 02
BIC: BFSWDE33MUE (München)
Verwendungszweck: Bamberg Security
-English-
Continuation of Fatou’s trial – report of the 2nd hearing
On 15 March 2019 a second hearing took place in the trial against the Black refugee woman Fatou. Again about 40 people came to accompany the trial in solidarity. Fatou is accused of criminal trespassing in a Netto supermarket in Bamberg in June 2018 and throwing a can of cat food at a security guard. For this she received an order of punishment (Strafbefehl) of 120 daily rates (Tagessätze). However, she denies the accusations and stresses that the guard first performed a racist control on her and subsequently mistreated her. She appealed against the order of punishment. Despite thin evidence and contradictory statements by witnesses, Fatou was on 15 March found guilty of attempted assault (versuchte Gefährliche Körperverletzung) and sentenced to 35 daily rates.
On the first day of the trial on 8 March the police witness had repeatedly described Fatou as „aggressive“, „uncooperative“ and „dangerous“, but could not say anything relevant about the accused acts. Therefore, for March 15, further witnesses were invited: the security guard who had controlled and abused Fatou, a Netto employee in a managerial position, another Netto employee, as well as her boyfriend, who presumably was in the supermarket on his leisure time at the moment of the „crime“. Each is well acquainted with the security guard.
All the invited witnesses accused Fatou of throwing the cat food can. In detail, however, their statements differed in important points, especially the version of the supposedly damaged party, the guard, deviated noticeably from the depictions of the other witnesses. Among other things, the guard claimed that Fatou slapped him in the face before throwing the can – a statement that nobody else could confirm.
On the one hand, the prosecutor stated that the guard’s statement should be „taken with caution“. On the other, she claimed that the differing of statements indicated that the witnesses had not agreed upon them beforehand. The judge took this point of view and came to the conclusion that the core event, the throw of the can, had been confirmed. The fact that Fatou was „only“ sentenced to 35 daily rates in the end was due to the fact that the judge assumed a diminished criminal liability because Fatou had ‚psychological problems‘. However, the structural causes of these ‚problems‘ , or of her anger, were not mentioned at any point during the trial: The repeated racist harassment inside and outside the AEO camp, including the racist bag control that marked the beginning of Netto episode. The court also failed to take into account that Fatou was the only one injured in the subsequent events and failed to question the white team spirit of the witnesses against an allegedly „hysterical“, „aggressive“ or „unstable“ Black woman. With its decision, the Bamberg local court contributes to the normalization of racist violence and the stigmatization of Black people and refugees.
Fatou showed courage: she did not accept the racist control and harassment by the guard and filed a complaint. Subsequently she got criminalized. Now she is threatened with another trial because she also filed a complaint against the police. We demand an end to racist suspicions and violence against refugees and their criminalisation! We will continue to stand together with Fatou and, if another trial is announced, call for trial monitoring.
For further information:
Short report about the 8th of march:
https://justizwatch.noblogs.org/post/2019/03/13/fatous-prozess-aufruf-zur-prozessbeobachtung-am-15-maerz-dem-internationalen-tag-gegen-polizeigewalt/#more-1436
Further information about the background of the proceedings:https://justizwatch.noblogs.org/post/2019/02/17/fatous-prozess-am-8-maerz-rassistische-gewalt-gegen-gefluechtete-frauen-durch-wachdienste-und-polizei-beenden/
Also donations for legal expenses are very welcome:
Bayerischer Flüchtlingsrat
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE89 7002 0500 0008 8326 02
BIC: BFSWDE33MUE (München)
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